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Interview mit Steffen Mohr: »Im Krimi kann man frecher sein«

Der Liedermacher, Schriftsteller und Kabarettist Steffen Mohr teilt in einem Interview mit Vivat! seine Erfahrungen als Krimi-Autor und erzählt von dem Zusammenhang seines christlichen Hintergrundes mit seinen Rätselkrimis, von den Gemeinsamkeiten mit seiner Krimi-Figur Gustav Merks sowie von den Besonderheiten dieses Genres, das so viele Menschen begeistert.

Vivat!: Wie kamen Sie denn dazu, sich dem Genre Krimi zu widmen und Krimi-Autor zu werden?

Steffen Mohr: Ich selber wollte lange nicht Krimi-Autor werden. Als ich am Literaturinstitut studierte, sagte mir ein sehr liebenswerter und tüchtiger Dozent »Sagen Sie mal, bei Ihnen geht’s immer so schnell zur Sache und Sie sind so eilig. Bleiben Sie doch mal stehen in der Literatur. Oder wollen Sie etwa Krimi-Autor werden?« Das in ganz abfälligem Ton. Da habe ich mich damals noch geschämt. Es ergab sich aber, dass mein zweites Buch, das ich gerne schreiben wollte und auch etwas zu tun hatte mit Religion und meiner christlichen Weltanschauung, ewig nicht zu Potte kam.

14 Jahre habe ich daran gearbeitet – immer wieder neue Fassungen. Und da sagte mir jemand, der war mein Motor: »Steffen, du willst gesellschaftskritisch sein. Dann schreib doch Krimis. Da kannst du frecher sein.« Daraufhin habe ich einen kleinen Krimi geschrieben, der damals in der Blaulicht-Reihe vom Verlag »Das neue Berlin« mit 175.000 Auflage, erschien. Eine tüchtige Lektorin des Verlags ermunterte mich dann, weiter solche Dinge zu schreiben. Und ich merkte: im Krimi kann man frecher sein. Das war der Grund.

Vivat!: Kriminalromane und -geschichten sind derzeit so populär wie nie. Inzwischen machen Krimis zwischen einem Viertel und einem Drittel des Umsatzes im Belletristik-Bereich aus. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung?

Steffen Mohr: Eine Ursache ist der Irrtum vieler Autorinnen und Autoren, die glauben, ein Krimi sei leichter zu schreiben als eine andere Art von Literatur. Da der Krimi recht einfache Gesetze und Strukturen hat, die auch erfüllt werden müssen. Und dann schreiben sie drauf los. Dadurch entsteht der viele Schrott auf dem Krimi-Markt und die Vielzahl von Kriminalromanen.

In der ganzen Literatur gelten jedoch ganz ähnliche Gesetze. Wer nämlich nicht die uralte Regel zum Literaturschreiben beherzigt und in sich drin hat, der sollte es auch lassen, Krimis zu schreiben. Die Regel heißt: Der Charakter bestimmt die Situation. Und nicht umgekehrt. Das ist von Hegel.

Doch der Krimi ist auch die eigentliche zeitgenössische Literatur. In 500 Jahren wird man durch die Krimis, die wir heute schreiben erfahren, wie wir gelebt haben, wie unsere Straßen aussahen, was wir gegessen haben, was es für Parfums gab, was wir für Kleider trugen, wie wir gedacht haben. Das alles erfährt man aus der feinen, edlen Literatur nicht. Denn den Nabel beschaut haben auch antike Schriftsteller und haben sich über ihre Seele Gedanken gemacht. Der Krimi bringt immer wieder richtig zeitgenössisches Flair hinein und muss es tun, bis dahin, dass man das Risiko eingeht, sich eine Gerichtsklage einzuhandeln, weil jemand meint, er ist gemeint worden als Täter. Alles schon passiert.

Vivat!: Sie als Autor von mehreren Hundert Rätselkrimis sind ein wahrer Experte auf dem Gebiet. Warum sind denn gerade Rätselkrimis Ihrer Meinung nach so beliebt?

Steffen Mohr: (Lacht) Ich stolpere jetzt über die Einräumung »Ihrer Meinung nach«.
Sie sind schon beliebt – und unbeliebt für solche, die es nicht mögen. Rätselkrimis sind aktives Mitlesen und Mitdenken des Lesers, der dann rät: »Wer war denn nun der Täter?« und ihn dazu noch ergreift. Es ist ein Genre, das besonders in der Zeitung zuhause ist – leider in zu wenig Zeitungen. Und kurz wie auch humorvoll und spannend muss es sein. Und dann muss noch ein Geheimnis dabei sein, das der Leser lüften kann. Das ist beliebt, das machen die Leute gerne. Und ich habe viel Feedback dazu.

Vivat!: In Ihrem neuen Buch »Scheinheilige und schwarze Schafe« schicken Sie den inzwischen wohlbekannten Ermittler Gustav Merks wieder auf Täterjagd. Welche Gemeinsamkeiten verbinden Sie mit Ihrer Figur und wo liegen Unterschiede?

Steffen Mohr: Gustav Merks bin ich, klar. Die Unterschiede sind schon äußerlich. Ich bin kein dicker Mensch mit Rotwein-Nase und Halbglatze. Aber Merks ist Single, ist Einzelgänger. Auch ich, der von der Sehnsucht her durchaus ein Familienmensch ist, kämpfe doch mein Leben lang recht einzeln und habe viele private Brüche hinter mir. Doch Merks ist einer, der mir insofern gleicht, als er nachdenklich ist und Humor hat, dass er Verständnis hat für das Verbrechen.

Das Verbrechen, das ja eine Produktivkraft des Denkens ist. Und aus dem Verbrechen heraus sind schon größte Erfindungen entstanden, in der Weltgeschichte der Erfindungen. Merks hat Verständnis für das private Leben, auch das der Täter. Dennoch ermittelt er und steht für Gerechtigkeit. Aber auch – und das zeichnet ihn aus und da sind wir auch deckungsgleich – für Güte. Er beschäftigt sich durchaus mit diesen Menschen, die da Täter oder auch eben Opfer sind. Das ist uns gemein, Merks und mir.

Vivat!: In Ihrem neuen Buch haben Sie wieder Krimis vor kirchlichem Hintergrund geschrieben. Wie kamen Sie auf die Idee Kirche und Krimis zu verbinden?

Steffen Mohr: Ich habe mit Beginn des Veröffentlichens von Rätselkrimis in Zeitungen, im Jahre 1999, nach Wissensdingen gesucht, die der Leser erraten muss. Dabei begegnete mir immer wieder meine christliche bzw. religionswissenschaftliche Bildung, in welcher sich viele Geheimnisse und Rätsel verbergen, die sich dann darin widerspiegelten. Dadurch wurde es offenbar. Der Programmleiter des St. Benno Verlags, der auch immer meine Krimis am Sonntag las, wurde auf mich aufmerksam. Er meinte, ich solle die doch mal zusammensuchen und ein erstes Buch mit Rätselkrimis schreiben. Denn er merkte, das hat alles – wenn man so will – diesen christlichen Charakter.

Da bin ich erschrocken und habe gedacht »Mensch, da hab ich doch bloß diesen einen Krimi«. Einen, bei dem der Pfarrer erwischt wird, der eigentlich ein Einbrecher ist und nach gelungenem Einbruch im Pfarrerkostüm ein Steak isst – im Pfarrhaus – am Karfreitag – während der Nachmittagsmesse. Ich dachte mir: »Nur den einen hast du«. Dann habe ich durchgeleuchtet und glaubte, das schaffe ich nicht. Und da hatte ich schon Hunderte Krimis geschrieben. Aber dann habe ich sie mir angeschaut und gemerkt: »Doch, du hast ja immer wieder Christliches in deinem Denken!«

Das Interview haben wir im Mai 2016 geführt.

Über den Autor

Steffen Mohr (1942–2018) war Kinderbuch- und Krimiautor, Theaterwissenschaftler, Liedermacher sowie Autor für Funk, Film und Schulklassen. Großer Beliebtheit erfreuten sich seine Rätsel-Krimis, die über viele Jahre hinweg jede Woche in Zeitungen mit millionenfacher Auflage erschienen sind.

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